Preisträgerin 2021

Der erste Preis des
Schreibwettbewerbs 2021 ging an:
Ilaria Andrey

Das Thema war: Fernweh.
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Hallo, ich bin Sandra, bin 25 Jahre alt und lebe in Deutschland. Ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit. Eigentlich bin ich schon spät dran, aber ich muss zum Glück nur noch zweimal abbiegen, dann bin ich da. Aber was sehe ich da? Ein Auto, welches mir auf meiner Fahrbahn entgegenkommt…? Ich merke, dass ich anfange zu schwitzen. Ich versuche auszuweichen, aber… BUMM…

Als ich wieder zu mir komme, sehe ich nur Monitore und vier Menschen. Einer der beiden Männer sagt zu mir: „,Hey, ich bin’s, dein Freund Paul. Du hattest einen Autounfall. Der Arzt wollte mir und deiner Mutter gerade berichten, was bei den Untersuchungsergebnissen herausgekommen ist. Aber egal, was herauskommt, ich bin immer für dich da.» Einen Tag später bin ich am Boden zerstört, die Diagnose lautet nämlich „Querschnittlähmung». Das bedeutet, dass ich meine Beine nie mehr bewegen kann. Und jetzt stehen noch einige Monate Reha an. Mein Freund Paul versucht mich die ganze Zeit aufzumuntern. Das ist ja total süss von ihm, aber für mich hat sich alles geändert. 

Endlich ist die Reha vorbei und ich kann morgen nach Hause. Irgendwie freue ich mich, aber ich habe auch Angst. Ich habe keine Motivation, irgendetwas zu machen oder raus zu gehen. Warum sollte ich auch, ich kann ja eh nichts machen ohne Hilfe. 

Schon wieder sind zwei Monate vergangen und ich habe kein einziges Mal das Haus verlassen. Eigentlich will ich ja raus und mal etwas anderes sehen als meine eigenen vier Wände. Aber ich kann sowieso nichts Richtiges mehr machen und es ist mir auch peinlich mit dem Rollstuhl durch die Stadt zu fahren. 

Heute habe ich Geburtstag. Ich habe nichts geplant, nur meine Eltern kommen. Als es am Nachmittag klingelt und ich die Tür aufmache, stehen plötzlich alle meine Freunde da. Ich bin völlig überrascht, dass sie hier sind. Aber als ich Paul in die Augen schaue, ist mir alles klar. Jetzt ratet mal, was Paul mir geschenkt hat – eine Reise nach Australien. Ich sage ihm, dass das total nett ist von ihm, dass ich aber die Reise nicht antreten werde. Er nickt nur. Ein paar Tage später sagt Paul zu mir, dass er es ehrlich gesagt ziemlich blöd findet, dass ich seit meiner Reha nie mehr aus dem Haus gehe. Das geht mir nahe. Ich habe es niemandem gesagt, aber ich denke über Selbstmord nach. Ich habe sogar schon ein Abschiedsvideo gemacht.

Es ist schon wieder ein ganzer Monat vergangen, ohne dass ich es getan habe. Ich merke, dass da so ein bestimmtes Gefühl ist, welches ich nicht mehr loswerde. Und zwar das Gefühl von Fernweh und das Gefühl einfach mal weit weg von hier sein zu wollen. Ihr erratet nie, wo ich einige Wochen später bin, im Flieger nach Australien. Ich bin so froh, dass ich diesen Schritt wage.

So, ich bin wieder zurück in Deutschland. Ihr glaubt nicht, was ich alles erlebt habe in Australien. Unter anderem konnte ich einen Ausflug in eine Rettungsstation für Kängurus machen. Dort habe ich eine Frau kennengelernt, die auch in Deutschland lebt und als Psychologin arbeitet. Sie hat mich irgendwann gefragt, welchen Beruf ich ausübe. Also erzählte ich ihr meine Geschichte und dass ich deshalb nicht mehr arbeite. Wir haben viel geredet und sie hat mich ermuntert mein Leben neu zu sortieren.

Mittlerweile sind vier Jahre vergangen. Ich habe die Ausbildung zur Psychologin gemacht. Ich bin mit dieser Frau in Kontakt geblieben und kann jetzt dann in derselben Praxis anfangen zu arbeiten wie sie. Ich bin der glücklichste Mensch aller Zeiten. Wenn ich zurückblicke, bin ich der absoluten Überzeugung, dass, wenn ich damals das Gefühl von Fernweh – dieses Gefühl einfach mal raus zu wollen, nicht gehabt hätte, ich bis heute immer noch nie raus gegangen wäre. Ich hätte diesen Job nicht und wahrscheinlich hätte sich Paul von mir getrennt. Jetzt hat er mir aber einen Heiratsantrag gemacht. Natürlich habe ich Ja gesagt. Dieses eine Gefühl hat mir wortwörtlich das Leben gerettet.

Preisträger 2022

Der erste Preis des
Schreibwettbewerbs 2022 ging an:
Fabian Luginbühl

Das Thema war: Glück.
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